Wildlife Gardening: Die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu retten

von hk
Goulson: WIldlife Gardening

Das Buch von Dave Goul­son mit dem Titel “Wild­life Gar­dening” ist kein übli­ches Gar­ten­buch. Vor mir liegt ein Taschen­buch mit rund 300 Sei­ten, nicht ein ein­zi­ges Foto von schö­nen Gär­ten, illus­triert mit gelb/schwarzen, sei­ten­gro­ßen Zeich­nun­gen. Im Unter­ti­tel behaup­tet der Autor, wir könn­ten trotz aller Kata­stro­phen­mel­dun­gen zum Kli­ma­wan­del, die wir täg­lich in den Medien hören und lesen müs­sen, mit der Pflege unse­rer klei­nen Gär­ten die Welt ret­ten. Das möch­ten wir natür­lich glau­ben, aber Zwei­fel schlei­chen sich ein.

Der Autor Dave Goul­son ist Insek­ten­for­scher, Pro­fes­sor an der Uni­ver­sity of Sus­sex. Dane­ben ist er einer der bekann­tes­ten Natur­schüt­zer Eng­lands und Autor wei­te­rer Bücher. Sein Buch „Und sie fliegt doch. Eine kurze Geschichte der Hum­mel“ hat es in Deutsch­land auf die Spie­gel­best­sel­ler­liste geschafft. In sei­ner Frei­zeit betä­tigt er sich als Hob­by­gärt­ner im eige­nen Gar­ten.

Die fragilen Kreisläufe der Natur

In den ver­schie­de­nen Kapi­teln führt er uns vor Augen wie in der Natur alles mit allem zusam­men­hängt und wie fra­gil diese Zusam­men­hänge durch die Ein­griffe des Men­schen gewor­den sind. Einige Kapi­teln beschäf­ti­gen sich mit Insek­ten, dem Lieb­lings­thema des Autors. Wir erfah­ren zahl­rei­che Details über Amei­sen, Bie­nen, Fal­ter und Regen­wür­mer und ihre Auf­ga­ben in einem funk­tio­nie­ren­den Kreis­lauf der Natur. Dabei stol­pert man immer wie­der über Fak­ten, die stut­zig wer­den las­sen, etwa wenn er beschreibt, wie sinn­los Ver­su­che enden müs­sen, läs­tige Amei­sen aus dem Gar­ten ver­trei­ben zu wol­len. Man erfährt, wie wich­tig diese Insek­ten sind und dass deren Vor­kom­men in unse­ren Gär­ten oft wesent­lich höher ist als auf mono­kul­tu­rell genutz­ten Acker­flä­chen.

Die Schä­den, die durch inten­si­ven Gebrauch von Pes­ti­zi­den ent­ste­hen, wer­den uns deut­lich vor Augen geführt. Wie unter­schied­lich mit die­ser Pro­ble­ma­tik umge­gan­gen wird, zei­gen einige Bei­spiele. So wer­den in den USA teil­weise ganze Stadt­be­zirke durch Ver­wal­tungs­be­schluss mit Pes­ti­zi­den aus Flug­zeu­gen besprüht, um irgend­wel­che Schäd­linge zu ver­nich­ten. In vie­len euro­päi­schen Län­dern, auch in der Bun­des­re­pu­blik, gibt es inzwi­schen eine zuneh­mende Anzahl an pes­ti­zid­freien Städ­ten, in denen der Ein­satz von Pes­ti­zi­den unter­sagt ist. Auch der Umgang mit unter­schied­li­chen Neo­phy­ten wird dif­fe­ren­ziert dar­ge­stellt. Sol­che Maß­nah­men erfor­dern einen enor­men Auf­wand und sind nach Mei­nung des Autors letzt­lich zum Schei­tern ver­ur­teilt.

Was bedeutet “Wildlife Gardening” ?

Goul­son plä­diert dafür, in unse­ren Gär­ten der Natur mehr freien Raum zu las­sen, Wild­pflan­zen zu akzep­tie­ren und zu för­dern, auf indus­tri­elle Dün­ger und Pes­ti­zide zu ver­zich­ten. Wir erfah­ren, dass es in der zuneh­mend indus­tri­ell gestal­ten Land­wirt­schaft in ers­ter Linie um Pro­fit­ma­xi­mie­rung und erst in zwei­ter Linie um Ertrags­ma­xi­mie­rung geht. Mich hat über­rascht, dass der Ertrag pro Flä­che in gut bewirt­schaf­te­ten Gär­ten deut­lich höher liegt als auf nor­ma­len Acker­flä­chen. Dabei kommt es auf die Viel­falt der Insek­ten, Tiere, Bäume, Sträu­cher und Blu­men an, die durch ein wil­de­res Gärt­nern ent­ste­hen kann. Wenn man bedenkt, dass es in Europa etwa 3 Mil­lio­nen Schre­ber­gär­ten gibt, kann man sich vor­stel­len, wel­ches Poten­tiale zur Ver­än­de­rung in die­sen klei­nen Gär­ten steckt.

Man spürt im Text an jeder Stelle den wis­sen­schaft­li­chen Hin­ter­grund und das pro­funde Wis­sen des Autors. Dabei schreibt er stets all­ge­mein ver­ständ­lich und ohne zu lang­wei­len. Er infor­miert mit Fak­ten, Argu­men­ta­tio­nen, aber auch mit eige­nen Erfah­run­gen aus sei­nem Gar­ten und humor­vol­len Anek­do­ten.

Man­che Zeich­nun­gen sind eben­falls von die­sem, zum Teil maka­be­ren Humor geprägt. So wird ein Kunde mit einem Ein­kaufs­wa­gen dar­ge­stellt, der in einem Schutz­an­zug mit Helm und Maske geklei­det aus dem Gar­ten­bau­markt kommt, um sich vor den zahl­rei­chen Gift­stof­fen in den dort ange­bo­te­nen Pflan­zen zu schüt­zen. Auch dazu fin­det man im Text wis­sen­schaft­li­che Belege, die nach­denk­lich machen. Jedem Kapi­tel wird ein Rezept vor­an­ge­stellt. Vie­les möchte man gleich in der eige­nen Küche aus­pro­bie­ren, ande­res viel­leicht auch nicht, etwa Eich­hörn­chen in Form eines Shepherd’s Pie zube­rei­tet. Zum Schluss gibt es noch Lis­ten mit den liebs­ten Gar­ten­pflan­zen für Bestäu­ber, den Top 12 der Bee­ren­pflan­zen für Vögel und eine Anlei­tung zum Bau einer eige­nen Wurm­farm.

Klare Empfehlung: ein lesenswertes Buch!

Es macht Freude, das Buch zu lesen. Es moti­viert, sich an die Arbeit zu machen, für mehr Wild­nis im eige­nen Gar­ten zu sor­gen und nur hier und da regu­lie­rend ein­zu­grei­fen. Und ein wenig ist man nach der Lek­türe des Buches davon über­zeugt, tat­säch­lich im eige­nen Gar­ten etwas zur Ret­tung der Welt bei­tra­gen zu kön­nen. Allein dafür hat sich die Lek­türe des Buches gelohnt.

Dave Goul­son:

Wild­life Gar­dening
Die Kunst, im eige­nen Gar­ten die Welt zu ret­ten

Ull­stein Taschen­buch

ISBN: 9783548062228

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8 Kommentare

Elke Schwarzer 7. August 2022 - 15:08

Hallo Her­bert,
Ich habe es vor ein paar Jah­ren gele­sen und mich vor allem über den Über­set­zungs­feh­ler beim Auro­ra­fal­ter geär­gert, der dem­nach auch Knob­lauch frisst.

Viele Grüße
Elke

antworten
Susanna 5. August 2022 - 16:49

Hallo Her­bert,
wenn ich das Ver­hält­nis zwi­schen her­kömm­lich bewirt­schaf­te­ten Acker­flä­chen und durch Stra­ßen, Bebau­ung und Pflas­ter ver­sie­gel­ten Flä­chen, auf der einen und Gär­ten, Wäl­dern und Auen betrachte (ich habe da keine Zah­len, nur mein Emp­fin­den), habe ich auch Zwei­fel. Ich habe irgendwo gele­sen, dass die Gär­ten wich­tig sind, um Insek­ten die Mög­lich­keit zu geben, von einem Habi­tat zum ande­ren zu gelan­gen und sich zwi­schen­durch zu stär­ken und aus­zu­ru­hen.
Selbst wenn es nur das wäre, würde es sich schon loh­nen, im eige­nen Gar­ten auf Pes­ti­zide und mine­ra­li­sche Dün­ger zu ver­zich­ten und natur­nä­her zu gärt­nern. Oft liest man vom “eige­nen Stück Natur”, das sich Häus­le­bauer auf ihrem Grund­stück gestal­ten. Viel­leicht liegt da schon ein Feh­ler in der Betrach­tung: es ist eben keine Natur, son­dern ein von uns gestör­ter Bereich. Und es ist eben nicht egal, was wir pflan­zen, Haupt­sa­che grün … Da kann so ein Buch bestimmt wert­volle Anre­gun­gen für ein Umden­ken geben. Sehr inter­es­sant, danke für die Vor­stel­lung!
Viele Grüße
Susanna

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hk 6. August 2022 - 14:18

Hallo Susanna,
deine Skep­sis kann ich gut nach­voll­zie­hen. Ich habe mal schnell ein wenig recher­chiert:

“In Deutsch­land gibt es 17 Mil­lio­nen Pri­vat- und Klein­gär­ten mit einer Gesamt­flä­che von 930.000 Hektar. Das ent­spricht 2,6 Pro­zent der Gesamt­flä­che unse­res Lan­des. Eine Mil­lion Klein­gär­ten, die in Ver­ei­nen orga­ni­siert sind, neh­men eine Flä­che von 40.000 Hektar ein. Es wäre ein gro­ßer Gewinn für die Arten­viel­falt, wenn diese gesamte Gar­ten­flä­che gift­frei und natur­nah bewirt­schaf­tet würde, so dass neue Lebens­räume für Insek­ten, Vögel und Klein­säu­ger ent­ste­hen kön­nen. Durch die flä­chen­de­ckende Ver­tei­lung der Klein­gär­ten könnte ein wert­vol­ler Bio­top­ver­bund ent­ste­hen, der die Aus­brei­tung von sel­te­nen Arten begüns­tigt.”

Quelle: https://www.bund-fulda.de/ag-naturgarten/vernetzter-naturpark-aus-hobbygaerten/

Beim Bun­des­amt für Natur­schutz erfährt man, dass es in Deutsch­land 8.833 Natur­schutz­ge­biete mit einer Flä­che von 2.627.510 ha gibt

Quelle: https://www.bfn.de/karten-und-daten/naturschutzgebiete-deutschland

Laut Umwelt­bun­des­amt wer­den in Deutsch­land 5.169.300 ha Flä­che für Sied­lung und Ver­kehr benutzt, davon 43,7 % ver­sie­gelt (zuneh­mend).

Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung#bodenversiegelung-in-deutschland

Das sind schon inter­es­sante Zah­len, die viel­leicht für eine erste Ori­en­tie­rung hilf­reich sein kön­nen.
Viele Grüße
Her­bert

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Susanna 7. August 2022 - 12:44

Das sind inter­es­sante Zah­len! Ich bin noch nicht dazu gekom­men, mal zu recher­chie­ren. Ein “Bio­top­ver­bund”, das klingt doch tröst­lich — gemein­sam schaf­fen wir etwas Grö­ße­res, das etwas bewir­ken kann. Dann sind wir auf einem guten Weg …
LG Susanna

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Gabi 5. August 2022 - 14:17

Hallo Her­bert,
so ein Zufall, denn das Buch habe ich gerade vor kur­zem zu Ende gele­sen, toll dass du es hier vor­stellst!

Ich stimme dir zu, dass es teil­weise etwas sku­ril anmu­tet, wenn man die etwas selt­sa­men Rezepte des Autors liest und auch die Emp­feh­lung, tot­ge­fah­rene Rehe von der Straße mit­zu­neh­men ist, glaube ich, in Deutsch­land nicht ganz umsetz­bar bzw. nicht erlaubt.
Ansons­ten hat mir das Buch aber auch sehr gut gefal­len. Erschre­ckend ist wirk­lich, das als bie­nen­freund­lich aus­ge­zeich­nete Pflan­zen so viele Gifte ent­hal­ten, dass die Insek­ten davon ster­ben.
Viele Grüße
Gabi

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hk 6. August 2022 - 14:05

Hallo Gabi,
an man­chen Stel­len ist das Buch doch “very bri­tish” und ich musste beim Lesen oft schmun­zeln. Die meis­ten Pro­bleme, die der Autor beschreibt, sind aber glo­ba­ler Natur und betref­fen uns alle.
Viele Grüße
Her­bert

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Wolfgang Nießen 2. August 2022 - 7:08

Das scheint wirk­lich ein sehr inter­es­san­tes Buch zu sein, wenn ich auch skep­tisch bin, dass wir mit unse­ren Gär­ten, die Welt ret­ten kön­nen. Aber sei­nen Bei­trag sollte man auf jeden Fall leis­ten.
Danke für den Tipp.
Ich wün­sche Dir noch eine schöne Woche.

Viele liebe Grüße
Wolf­gang

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hk 2. August 2022 - 10:00

Hallo Wolf­gang,
bin natür­lich auch ein wenig skep­tisch. Zumal das ganze nur etwas brin­gen würde, wenn mög­lichst viele der 3 Mil­lio­nen Klein­gärt­ner in Europa sich die­sem Gar­ten­stil anschlie­ßen wür­den. Ich glaube aber, die ver­än­der­ten Kli­ma­be­din­gun­gen wer­den zwangs­läu­fig viele Men­schen zum Umden­ken brin­gen. Inzwi­schen kön­nen wir ja schon mal anfan­gen!
Viele Grüße
Her­bert

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